Schule für alle

Schule für alle im Landkreis Gießen e. V.

https://land-der-ideen.de/projekt/schule-fuer-alle-665

 

„Schule für alle“ ist eine ehrenamtliche Initiative. Sie zielt auf die Verbesserung der Situation von schulisch benachteiligten Kindern aus Familien mit Migrationsschicksal oder anderen Risikolagen. Sfa vermittelt „Patenschaften“ zwischen Kindern in Grundschule sowie Sekundarstufe I und Studierenden der Erziehungswissenschaft. Die Mitarbeit im Projekt von einem Jahr oder länger wird als pädagogisches Praktikum anerkannt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass Studierende unter Supervision (Dr. Ulrich Hain, Dipl.Päd. Simone van Slobbe, Tim van Slobbe) ihre persönlichen sozialen und pädagogischen Stärken in einem schwierigen Umfeld entwickeln können, also nicht einem allgemeinen Standard unterworfen werden. Das Projekt insgesamt verläuft in generationsübergreifender Kooperation von Kindern, Studierenden, Berufstätigen und Ruheständlern.

„Schule für alle“ wird u. a. gefördert von: Hess. Landesregierung, Ausländerbeirat des Landkreises Gießen, Stiftung Anstoß, Robert Bosch-Stiftung, Alternativ GmbH, PHINEO

Der folgende Text berührt weniger die Stärken der deutschen Schule, sondern eher die „Punkte“, an denen Schule für alle einen Beitrag leisten kann.

„Wir wollen lernen!“ (Hamburg 2010) – Andere aber auch! (Gießen 2010)

„Exklusives“ Schulsystem – Selektion

Seit 1945 wird in fünf- bis zehnjährigem Abstand, also „schubweise“, an unserem Schulsystem kritisiert, dass es in vieler Hinsicht ineffektiv sei und sich sozial selektiv auswirke. (Chr. Füller 2009 u. a.) – bei aller Unterschiedlichkeit einzelner Schulen und Lehrkräfte. Unser Unterricht träumt immer noch oft von der homogenen Lerngruppe, die im Gleichtakt unterrichtet werden kann, mit Tendenz zum Ausschließen von Schülerinnen und Schülern mit abweichendem Förderbedarf aus der als homogen gedachten Lerngruppe („Exklusion“ durch Abstufung, Wiederholung, Umschulung). Die aktuellen Anstrengungen pro Inklusion und Integration stehen im Widerspruch zu dieser Ausrichtung auf Selektion und Exklusion. Durch die PISA-Studien befindet sich unser Schulsystem unter Druck, setzt aber zur Effizienzsteigerung vorwiegend auf die alten Strukturen, die zu den Defiziten beigetragen haben.

Schule für alle: Unterstützung der Inklusion und Integration von Kindern aus Familien, die ökonomisch, bildungsmäßig oder durch Migrationsschicksal nicht mithalten können, und zwar durch häusliche Eins-zu-Eins-Betreuung (keine „Hausaufgabenhilfe“ i. e. S.) in einer ermutigenden und freundlichen Atmosphäre.

 

Notenzentrierung und Versagerproduktion – Inhalte als Mittel zur Notenvergabe

Unser Schulsystem rankt sich um die Notenvergabe und verweist tendenziell das inhaltliche Interesse und inhaltliche Lernen auf den zweiten Platz. Das Notenwesen wird gern mit größter „Exaktheit“ gehandhabt, oft ohne den schulgesetzlich geforderten pädagogischen Spielraum für positiven Anreiz zu nutzen, und orientiert sich verdeckt an der so genannten Normalverteilung statt am Unterrichtsziel (vgl. Holzkamp 1993 u. a.). „Normalverteilung“, Fehlerorientierung und Kompetenzorientierung führen häufig zur Ausrichtung an Ergebnissen statt am Lernprozess und dessen Unterstützung. Durch Druck an Stelle von Lob, durch „Schulpreise“ statt Lernbegleitung wird häufig eine hinreichende individuelle Unterstützung umgangen.

Schule für alle: Die Hilfe zielt auch auf schulischen Erfolg ab und zwar als Teil einer Lebens- und Lernbegleitung. Dabei stehen Lob und die gemeinsame Freude von Kind und Bildungspaten am Fortschritt im Mittelpunkt. Die Sache selbst, etwa deutsche Sprache, rangiert vor der manchmal nicht zu erzielenden optimalen Note.

 

„Verantwortungsdiffusion“ (Hain 2011)

Viele Lehrkräfte wissen oft nicht, um wen sie sich intensiv helfend bemühen sollen, wenn es „zu viele“ „Brandherde“ gibt! Zeitnot und erzeugter Stoffdruck blockieren „ungerechte“ Einzelhilfen im laufenden Unterricht, so dass Hilfe, Beachtung, Anerkennung kleiner Fortschritte, differenziertes Mutmachen bei Fehlschlägen usw. oft wegfallen. Ob und wie eine Lehrkraft individuelle Probleme und Befindlichkeiten bemerkt und aufgreift, und ob sie Unterstützung „von außen“ einbezieht (Ämter, Tagesbetreuung, Kinderarzt, Kindertherapeutische Arbeitsstelle, Kinderschutzbund, Jugendamt) ist ihr weitgehend freigestellt.

Schule für alle: Ungeteilte Verantwortlichkeit durch Zuwendung und Unterstützung Eins-zu-eins. Das je eine Kind steht im Mittelpunkt. Die Sfa-„Paten“ übernehmen auch Koordinations- und Kooperationsaufgaben bezüglich Hilfe „von außen“. Dabei wird beidseitige Verantwortlichkeit und Verlässlichkeit zwischen Kind und „Paten“ aufgebaut und ggf. auch eingefordert.

 

Herkunftseffekte

Laut PISA-Studien und Bildungsbericht 2009 (DJI Bulletin 90) schafft es unser Schulsystem bis heute nicht, Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aufgrund sozialer Schichtzugehörigkeit, Armut und Migrationsschicksal auszugleichen, jedenfalls signifikant schlechter als in manchen Nachbarländern. Lehrkräfte haben oft keine oder nur wenig Erfahrung mit der familiären Sozialisation von Kindern und Jugendlichen aus Risikolagen, erst recht kaum Migrationserfahrung.

Schule für alle: Die Studierenden, die als „Integrationslotsen“ und „Bildungspaten“ tätig sind, erlangen diese Erfahrung sowie die nötige Nähe zum Kind durch den Kontakt zu den Familien über das Einzelkind.

N. B.: Familienhilfe i. e. S. kann nicht geleistet werden.

 

Unbezahlte „Unsichtbare Hausarbeit“ (Enders-Dragässer 1982)

Voraussetzung zum Schulerfolg ist in Deutschland oftmals die unbezahlte Beihilfe und Ergänzung zur ungenügenden Unterrichtssituation durch die Mütter bzw. durch das Elternhaus insgesamt; ersatzweise „sichtbarer“ kommerzieller Nachhilfeunterricht, den sich Familien in Risikolagen oft nicht leisten können oder wollen.

Schule für alle: Neben die belasteten oder sprachlich-bildungsmäßig unzureichend vorbereiteten Eltern tritt häusliche Hilfe und Unterstützung durch anerkannte „sichtbare Hausarbeit“ ohne finanzielle Belastung, nämlich Schule für alle.