Meditationen 2017

Meditationen für den Schulgebrauch

Meditationen sind keine Wahrheiten. Wahrheiten muss man selbst finden. Meditationen sollten bewegt werden oder bewegen, sind daher nur etwas für stille Stunden, in denen man Lust hat, die Gedanken spazieren zu führen. Aber wer hat das.

Wissentliche Übernahmen von anderen sind in Anführung gesetzt und mit einer Ziffer für den Anhang versehen.

Grundlagen

„Was ich bewirke, entscheidet der andere.“[1]

Weltbilder

„W a s  du lernst, bestimmt dein Wissen, w i e  du lernst dein Denken“[2]

Pestalozzi I

In Pestalozzis Hause sind viele schöne Wohnungen, unterm Dach juchhei, in der Bel Etage, im Parterre, im Garten hinterm Haus. (2013)

Pestalozzi II

Wenn es nicht immer noch die Wohnraumzwangsbewirtschaftung gäbe. (2017)

Fassaden….

Noten und Notendurchschnitte bilden die öffentlich präsentable oder repräsentative Fassade einer Schule, eines Faches, einer Schülerin, eines Schülers. Wir fragen uns: Wie sieht es dahinter aus? Wie drinnen, wie die Rückfront? Barocke Blendfassade oder Villa aus einem Guss?

….. und Fassadenkletterer

Eltern, Schulleitungen und Aufsichtsbeamte betätigen sich gern als „Fassadenkletterer“[3], auf und ab, natürlich schwindelfrei, und berauschen sich gern an der prächtigen Außensicht. Denn wer will Genaueres wissen? Das Innenleben könnte ja eine Irrenanstalt sein, deren funktionales Weiß und Grau man sich nicht antun möchte.  (2015)

Stockwerke

Wer dich lobt, setzt sich über dich, wer sich mitfreut, steht neben dir. (2017)

Aufstiege

A: Sieh dich um, hier sind wir bereits, Wahnsinn!

B: Schneller! Höher! Weiter! (2017)

Forschungslogik

Primaten werden beobachtet und getestet, mit ihnen redet man nicht. (2015)

Lehrkraft und Arzt

Beide Sparten nähern sich im Diagnostizieren an. Beiden sagt die Testserie, was der Fall ist. Je dichter die Folge der Testaufnahmen, desto genauer wird der Mensch oder Schülerin oder Schüler objektiv abgebildet und erkennbar. Subjektives Herumlabern entfällt. (2015)

Cuveé Schule 

Prozess heißt Vorgang. Vorgänge haben Eigenleben. So kann ein Lernprozess mal schnell, mal langsam verlaufen, mal üppig, mal notdürftig, mal ins Stocken kommen, mal Mut machen, mal deprimieren… Wer weiß? Oder: So ist das Leben oder die Schule. (2015)

Cuvée BRD

Muss das sein? Nein! Das rechte Gleichmaß ohne verstörendes Auf oder Ab und ärgerliches Hin und Her kann durch geschicktes Arrangement erzielt werden: Gleichförmige Durchnahme, gleiches Tempo, dichte Testungsfolge. Dann können wir mit Recht auf den kontrollierten und getakteten Normverlauf hoffen ohne jedes Gedöns. Synchronisierte Normschüler oder –schülerinnen suchen wir schon lange – so kriegen wir sie. (2015)

Kollateralschaden

Als Dünkelbürger[4]  m u s s  man schon das Kind aufs Gymnasium schicken. Leider kann man ihm dann aber nicht das Schulorchester oder den Chor ersparen; wie sähe denn das vor den anderen Eltern aus!

Gottseidank fördert Musik die Konzentration, wenigstens das. (2015)

Kind und Hund

Jeder Hundefreund beschwört die Individualität seines Köters. Unser Schulsystem kommt mit wenigen Schubladen für viele Individualitäten aus und unsere Jahrgangsklassen mit einem Klassenziel für alle. (2014)

Ad infinitum

Intensive und interessante Lernprozesse werden gern oder ungern als illusorisch oder idealistisch bezeichnet. Warum?

Das unbotmäßige Kind oder der lernunwillige Jugendliche können notfalls auf öden Unterricht verweisen, dieser auf die begrenzten Möglichkeiten der Lehrkraft, diese auf die Klassenstärke und den Zeitdruck des Lehrplans, dieser auf Koordinationskonferenzen und Lehrplankommissionen, diese auf das Kultusministerium, dieses auf den Urknall oder den Lieben Gott, je nachdem.

Wo fängt die Verantwortlichkeit der einzelnen Lehrkraft an? (2015)

Bildungsreform – paläontologisch

Was unterscheidet die deutsche Schule von den Dinosauriern? Unsere Schule mutiert und mutiert und wird doch kein Vogel draus. (2012)

Schulatlas

Unser Schulsystem kann mittels eines Schemas optisch verdeutlicht werden. Und plötzlich sehen wir uns per Vergleich ins 18. Jahrhundert versetzt: Deutschland, ein Flickenteppich aus Herrschaften, Freistaaten, Grafschaften, Herzogtümern, Großherzogtümern, Probsteien, Bistümern,.. (2014)

Hat‘du Hattie?

Lehrkraftgeleiteter Frontalunterricht ist nach J. Hattie (2009) optimal: Man bahne lediglich Klassenstärken zwischen 15 und 20 Schülern und ein positives Unterrichtsklima an, baue das Lehren auf einem ständigen offenen und gegenseitigen Austausch zwischen allen Beteiligten auf. Man schenke bloß Zuwendung und Ermutigung und kümmere sich besonders um die, die bei einer Evaluation schlecht abgeschnitten haben oder öfter schlecht abschneiden. Man lasse nur reichlich im Unterricht üben und gebe viel Zeit für Transferaufgaben. Vor allem, man gehe im Unterricht erst weiter, wenn  a l l e  das Pensum erfolgreich bewältigt haben! Mehr nicht? Doch, es sind noch ein paar Punkte mehr beim gelobten Hattie, aber lassen wir es für den Anfang erst einmal bei diesen bewenden. (2014)

Gewinn

Neben dem soliden Lernen und der Notenvergabe nebst Gummibärchen ist auch noch das sozialpädagogische Plus unseres Schulsystems zu verzeichnen. Sozialpädagogischer Gewinn Nr. 1: Laufend gibt es Gewinner! Sozialpädagogischer Gewinn Nr. 2: Ein Verlierer ist selten allein. (2014)

 „Der Ball ist rund“

Im Hades ist es zwar düster, aber ich sehe trotzdem viele Kollegien, wie sie immer wieder das deutsche Schulsystem stemmen – und noch einmal, und noch einmal, auch wenn es immer mal wieder runterkullert.  (2016)

Praxis

Früher sagte man, was nicht ist, kann noch werden. Heute: lassen wir’s lieber gleich. Es geht ja doch nicht oder wird zu teuer. (2015)

Die klugen Schimpansen

Immer wieder werden wir durch eindrucksvolle Berichte im Fernsehen oder gar per dpa überrascht (6. 9. 2015), dass Krähen und Delfine sowie Schimpansen, Bonobos und weitere Primaten klüger sind als bisher gedacht. Ganz anders beim deutschen Schulkind. Wenn man den Medien traut, sind sie von Mal zu Mal blöder als gedacht, sei’s was die Konzentrationsfähigkeit angeht, oder Rechtschreibung oder Feinmotorik oder wer weiß was noch. (2015)

Elternabend

C: Ein Jammer, was für bescheuerte Eltern die nette Paula haben muss!

D: Ist ja schlimm, auf was für vernagelte Lehrerinnen und Lehrer unser Paul in dieser Schule treffen muss!

Voraussetzungen

So, so, Ihre Jaqueline ist also intelligent. – Aha – Und sie hat oft originelle Einfälle? – Hm – Und meinen Sie, das ist günstig für die Unterrichtsteilnahme? (2015)

Klotz am Bein

Laut PISA wissen wir: Immer noch fördern Elitedenker aus den besseren Kreisen zusammen mit ihren Aftersassen in der Politik die eigenen Kinder, indem sie den konkurrierenden Kindern aus den weniger besseren Kreisen und Familien Steine in den Weg legen. Familie als Katapult oder Klotz. Gnadenlos. (2016)

Pseudo-Darwin

Hart. Aber es  m u s s  Minderbemittelte geben, es können doch nicht alle gut  und förderungswürdig sein. Ein Ding der Unmöglichkeit! Außerdem: Wer soll denn später die primitiven Dienstleitungen übernehmen, die ein differenziertes Hirn nicht aushält? Alternativlos. (2017)

Neue Schulwelt

Wie die Germanen in der Edda vom Weltende sangen: Land seh‘ ich aufsteigen zum anderen Male, das frisch ergrünet…., nämlich dann, wenn die Schulen, die den Deutschen Schulpreis erhalten, Schule machen. (2016)

Faust

„Zum Augenblicke möchte ich sagen, verweile doch, du bist so schön…“, nämlich dann, wenn ich keinen Tritt von hinten erhalte, sondern in Ruhe etwas damit anfangen kann. (2017)

 

[1] Horst Brück: Seminar der Gefühle. Reinbek: Rowohlt, 1986

[2] Regisseur Erwin Wagenhofer im Film „Alphabet“, Österreich 2013

[3] Begriff bei Heidegger und Adorno

[4] Begriff bei Weiland 2011 (GGG)